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Interview mit Andreas Aigner

Von Andreas Aigner, Erster Polizeihauptkommissar bei der Polizeiinspektion München 32 Grünwald, zuständig auch für die Gemeinden Straßlach-Dingharting, Pullach, Baierbrunn und Schäftlarn.


Andreas Aigner
Andreas Aigner

Herr Aigner, Sie sind als Vertreter der Polizeiinspektion Grünwald in den Arbeitskreis des Projekts „NaturErholung Isartal“ eingebunden. Welche Aufgaben nehmen Sie im Isartal wahr?
Seit meiner Kindheit bin ich im Isartal unterwegs. In München -Solln aufgewachsen war das Isartal zu allen Jahreszeiten immer wieder ein toller Abenteuerspielplatz für meine Freunde und mich als Kinder und Jugendliche. Mehr als 20 Jahre bin ich nun in verantwortlichen Positionen der Polizei für Bereiche des Isartals, besonders im Landkreis München Süd, eingesetzt.
Der Natur- und Naherholungsraum Isartal mit seiner an schönen Tagen sehr hohen Nutzungsfrequenz stellt natürlich spezielle Anforderungen an die eingesetzten Polizeibeamten in den Bereichen Unfallaufnahme, Gebietskontrollen, Präventionsmaßnahmen und auch der konzeptionellen Arbeit und Logistik. Weiter liegt uns natürlich zusammen mit den anderen Behörden die Einhaltung der Natur- und Umweltschutzvorschriften am Herzen. Das Polizeiaufgabengesetz beschreibt den Aufgabenbereich der Polizei als Abwehr für Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung allgemein und im Einzelfall. Bezogen auf unser Isartal kann man das so auf den Punkt bringen, dass die Polizei dafür zu sorgen hat, dass sich alle an die Regeln/Normen halten und so ein sinn- und friedvolles Auskommen aller gewährleistet wird. Wenn die originär zuständigen Behörden, in der Regel die Sicherheitsbehörden, nicht erreichbar sind, hat die Polizei auch über den straf- und ordnungsrechtlichen Tellerrand zu blicken und dann gegebenenfalls die Aufgaben dieser Behörden zu übernehmen, bis diese wieder für ihren Verantwortungsbereich eintreten können. Die Polizei ist einfach rund um die Uhr erreich- und somit greifbar.
In der öffentlichen Wahrnehmung herrscht der Eindruck eines „Hauens und Stechens“ im Isartal zwischen den verschiedenen Freizeitnutzern. Können Sie dies bestätigen oder muss man die Situation differenzierter betrachten?
Der einzelne Genuss- und Vernunftsmountainbiker ist nicht unser Problem. Es ist die Masse und vor allem diejenigen, die ihren Sport extensiv ausleben möchten, ohne jede Rücksicht oder Sensibilität für andere Personen, die auch im Isartal unterwegs sind. Wir stellen fest, dass es in den letzten Jahren vermehrt Probleme durch sogenannte Radl-Rambos, auch in unwegsamem Gelände gegeben hat. Steigende Unfallzahlen in teils unzugänglichem Gelände mit schwerstverletzten Radfahrern oder auch tödliche Unfälle erfordern aufwendigste Bergungen und Unfallaufnahmen. Während Rettungsdienst und Polizei um das Leben Verletzter kämpften, zwängten sich manche MTB-Fahrer an den Rettern vorbei ohne ihre Fahrgeschwindigkeiten anzupassen. Im letzten Moment sprangen die Rettungssanitäter oder Kollegen, zum Teil den Verletzten tragend, zur Seite. Diese Szenarien beeindruckten manchen Sportler wenig. Nicht einmal die Anwesenheit der uniformierten Polizeibeamten schreckte sie, insbesondere, wenn diese mit Hilfstätigkeiten für die Sanitäter beschäftigt oder in die Unfallaufnahme eingebunden waren.
In unseren medialen Welt lässt sich ein Meinungsbild schnell einmal manipulieren … dessen muss man sich einfach bewusst sein. Wenn man sich die Vielzahl der Menschen vor Augen hält, die tagtäglich im Isartal unterwegs sind und ihren Passionen nachgehen, sollte man von keinem „Hauen und Stechen“ sprechen. Das Isartal ist sicher und ein unverzichtbarer Rückzugsraum, auch für erholungssuchende Menschen.
Wie hat sich Ihrer Ansicht nach das Mountainbiken im Isartal in den letzten 20 Jahren verändert?
Festzustellen ist, dass immer mehr Mountainbiker in Gruppen unterwegs sind – auch in der Dämmerung oder Nachtzeit. Zum Teil sind die Gruppen auch gewerblich organisiert. Es gibt mittlerweile MTB-Sportler, die hochprofessionell ausgestattet sind und immer mehr den Nervenkitzel suchen. Sie halten verstärkt Ausschau nach eigentlich nicht fahrbaren Trails, nur um sich zu beweisen. Ausgestattet mit Kameras versuchen sie diese tollkühnen Fahrten zu dokumentieren. Diese Klientel wird wohl nur schwer einzufangen sein. Bei Kontrollen und Unfallaufnahmen stellen wir fest, dass der Einzugsbereich der MTB-Fahrer immer größer wird. Durch Werbemaßnahmen von Stadt und Gemeinden sowie durch Berichte in den Medien werden sie auf das Isartal aufmerksam gemacht und wollen diesen einzigartigen Naherholungsraum auch kennenlernen. Sie reisen dann zum Teil extra für einen oder mehrere Tage zum „biking“ in den Münchner Großraum und wollen sich natürlich dann auch „austoben“. Durch die immer besser ausgestatteten MTB, die es nun auch nicht so versierten Fahrern möglich machen, in früher unpassierbare Streckenpassagen einzufahren, intensiviert sich der Nutzungsgrad der Straßen, Wege und Trails entsprechend. Leider ist auch vermehrt festzustellen, dass MTB- und BMX-Fahrer aller Altersklassen massiv in die Natur eingreifen, stattliche Bäume fällen, um daraus Schanzen und Steilkurven zu errichten, mit Pickel und Spaten tiefe Gruben ausheben, um Hügel aufzuschütten und dadurch die Natur erheblich schädigen. Allein in diesem Jahr mussten in unserem Dienstbereich schon mehrere Unbelehrbare mit Strafanzeigen zur Raison gebracht werden.
Welche Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach dazu geeignet, die Situation im Isartal zu entschärfen?
Der Ansatz, über Aufklärung und Einbindung der Sportler und Sportverbände Erfolge und ein Umdenken zu erzielen, ist der einzig gangbare Weg. Repressive Maßnahmen sind derart aufwendig in Logistik und Personalansatz, dass diese kaum darstellbar und vertretbar sind. Auch Informationstafeln im Gelände halte ich – auch nach Rücksprache mit meinen Beamten, darunter ein begeisterter Isartal-Biker – für sehr gut. Der interessierte Biker wird die Informationen lesen, andere erreicht man auf der Informationsschiene ohnehin schwer. Da einige Biker auch mit dem Fahrzeug anfahren und ihre Fahrräder mitbringen, würden wir vorschlagen auch Schilder an den Parkplätzen mit ins Auge zu fassen, z.B. an der Dürnsteiner Brücke, der Abfahrt ins Mühltal und dem Waldparkplatz Grünwald. Der Bereich der Grünwalder Brücke kristallisiert sich in diesem Zusammenhang immer mehr quasi als Drehkreuz für Isartal-Biker heraus. Dieser Bereich liegt ideal als Wechselmöglichkeit der Isarseiten, Wendepunkt, Brotzeit- und Pausentreff, sowie Einstieg in die eine oder andere Variante.
Aus Ihrer Berufserfahrung in der Überwachung des Straßenverkehrs: Was sind vielversprechende Ansätze, um einerseits Verkehrsteilnehmer deutlich auf Ihr Fehlverhalten hinzuweisen, andererseits aber auch Verständnis und Akzeptanz für Vorschriften zu schaffen?
Die Frage habe ich befürchtet. Auch das kann man nicht pauschal beantworten, denn viele Verkehrsteilnehmer sind einfach unbedarft und ein aufklärendes Gespräch trifft auf wirklich fruchtbaren Boden …so entstehen oftmals wirklich gewinnbringende Gedankenaustausche …auf beiden Seiten. Aber leider gibt es auch die anderen, die sich bei jeder scheinbar unbeobachteten Gelegenheit über die Vorschriften hinwegsetzen und die nur über die Angst, dass sie bei Beanstandungen den Geldbeutel öffnen müssen, zur Raison zu bringen sind.
Als besonders vielversprechend kann ich mir vorstellen, dass eine Bewusstseinsänderung angestrebt wird. Wenn besonders aus den Reihen der MTB-Verbände Multiplikatoren im Isartal wirken: Um Verständnis werben, aufklären und erkennbar als einer aus den Reihen der MTBer mit gutem Beispiel vorangehen …. Man sollte einfach mit Geduld und Gelassenheit an die Thematik heranzugehen. Eine Entwicklung, die sich über Jahre zuspitzt, kann man nicht mit einem „Fingerschnipp“ auf Null stellen…auch hier muß man sich die erforderliche Zeit einräumen, damit der Mensch Zeit hat sich neu ein- und umzustellen.
Was sind aus Ihrer Sicht die Voraussetzungen, dass ein Lenkungskonzept im Isartal – also eine Kanalisierung der Freizeitnutzung auf ausgewiesene Routen und die wirkungsvolle Beruhigung schützenswerter Bereiche – von den Erholungssuchenden angenommen wird?
Man muss sich einfach vor Augen führen, dass es immer große Probleme gibt, wenn sich Menschen mit unterschiedlichen Intentionen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten auf einer räumlich begrenzten Fläche treffen. Vorausgesetzt, dass dem Naturschutz genug Raum gegeben wird und dieser beachtet wird, sind auf zum Teil engen Raum Familien mit kleinen Kindern, ältere Menschen, Hundegassigänger, Jogger, Wanderer, Ausflugsradler verschiedener Ausprägung und die MTBer aller Klassen unterwegs. Das es da zu keinen Konflikten kommt – kaum vorstellbar. Wenn man allein den MTBern ihren Raum gibt, so dass sie auf ausgewiesenen Trails in ihrem Tempo unterwegs sein können, haben sie einfach in anderen Bereichen ein wenig zurückzustecken. Wenn von diesen Trails in die geschützte Natur abgewichen wird, dann ist auch nachzuvollziehen, dass Bußgelder in empfindliche Höhe durch das Landratsamt oder die Stadt München verhängt werden. Jedem Isartalnutzer sollte ein für ihn reservierter Bereich zugebilligt werden, was aber heißt, dass er in jedem anderen Bereich besondere Sensibilität der anderen Nutzer zu achten hat. Ich kann mir gut vorstellen, dass so auch besonders schützenswerte Bereich Akzeptanz finden. Absolute Ignoranten müssen dann einfach den Gruppendruck aus den Kreisen z.B. der MTBer spüren oder es geht einfach nicht anders, als das generalpräventiv die eine oder andere repressive Maßnahme ergriffen wird. Möglicherweise in Einzelfällen bis hin zu Betretungsverboten Unbelehrbarer.
Welche Rolle kann die Polizei dabei spielen?
Bei der Polizei, hier kann ich besonders von dem Polizeipräsidium München sprechen, hat insbesondere im letzten Jahrzehnt ein eindrucksvoller Prozess dazu geführt, der Prävention immer größeren Stellenwert beizumessen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sich das Polizeipräsidium München, darunter auch meine Dienststelle in Grünwald, an Aufklärungsaktionen beteiligt. Meine fahrradbegeisterten Kollegen und auch ich sind sicher mit dabei, wenn wir im Isartal Aufklärungsarbeit leisten können. Jede Stunde ist gut investiert und zahlt sich vielfach aus, wenn es dadurch zu weniger Unfällen kommt, die Nutzer des Isartals besser miteinander auskommen und die Behörden dadurch weniger Anzeigen zu bearbeiten haben. Jeder Beamte, der durch weniger vermeidbare Sachbearbeitung und Büroarbeit gebunden ist, kann dann für sinnvolle Aufgaben im Sinne eines ausgeglichenen und harmonischen Miteinanders eingesetzt werden. Das subjektive Sicherheitsgefühl jedes Bürgers liegt uns am Herzen und ist ein hohes Gut.
Und eine letzte Frage: Sie kennen das Isartal seit Ihrer Kindheit. Was liegt Ihnen daran besonders am Herzen?
Dass sich die Menschen bewusst sind, Gast im Isartal zu sein und einfach gelassen und kommunikativ miteinander umgehen. Wir müssen uns auch bewusst sein, dass es nach uns wieder und wieder Zwergerl gibt, die im Isartal die Natur kennenlernen, in der Isar baden oder auch durch das kniehohe Herbstlaub stapfen und die dabei dieses Gefühl verinnerlichen sollen: Das wollen wir in Zukunft auch unseren Kindern zeigen können, wo wir die Natur kennengelernt haben, in der Isar beim Baden waren…… so sollt‘ des sei!
Herr Aigner, vielen Dank für das Gespräch!


Hinweis:
Die hier veröffentlichten Beiträge sind Meinungsäußerungen und geben nicht in jedem Fall die Meinung sämtlicher Projektbeteiligter wieder.