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Wird das Isartal zu Tode geliebt?

Zoologische Staatssammlung
Münchhausenstraße 21
81247 München
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Das obere Isartal ist ein allseits beliebtes Naherholungsgebiet im Großraum München. Mittlerweile hat die Freizeitnutzung jedoch Ausmaße erreicht, die viele Tier- und Pflanzenarten in Bedrängnis bringen. Auf Einladung des Projekts „NaturErholung Isartal“ referierte Manfred Siering am 10. Februar 2015 in der Zoologischen Staatssammlung München über das Thema „Faszination Isartal: ein Juwel vor den Toren der Stadt München. Wird es zu Tode geliebt?”. Siering ist Vorsitzender der Ornithologischen Gesellschaft in Bayern und Mitglied der Projektsteuergruppe. Er kennt das Isartal von Kindesbeinen an und konnte im Laufe der Zeit verfolgen, wie die Natur durch immer mehr Freizeitaktivitäten und ein immer dichteres Wegenetz zurückgedrängt wird. In seinem Vortrag stellte Siering die faszinierende Artenvielfalt sowie einige seltene Lebensräume des Isartals vor und schilderte gleichzeitig, wie diese durch den Ansturm der Erholungssuchenden beeinträchtigt werden.

Zu Beginn des Abends begrüßte Klaus Alt von der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts München die etwa 80 Gäste und stellte die Ziele des dreijährigen Projekts vor. „Was würden Sie dazu sagen, wenn Fremde durch ihr Wohnzimmer laufen und Sie beim Abendessen stören würden?“, fragte er ins Publikum und warb damit um Verständnis für die Tiere und Pflanzen im Isartal, die bei Störungen durch Spaziergänger, Jogger oder Radfahrer nicht einfach in ein anderes Zimmer ausweichen können. Die notwendigen Rückzugs- und Ruheräume fehlen, weil der Mensch immer weiter in bisher unberührte Räume eindringt.

Siering zeigte Verständnis für die Begeisterung der Massen für das Isartal. Die schöne und teilweise noch sehr ursprünglich anmutende Landschaft, die gleißend weißen Kiesbänke und Attraktionen, wie die längste Floßrutsche der Welt im Mühltal, ziehen die Menschen an. Doch der Naturraum hat nicht nur für unsere Erholung eine große Bedeutung. Das Isartal ist neben dem Lechtal eine der wichtigsten Wanderrouten für Tiere und Pflanzen zwischen den Alpen und der Donau. Lebensräume wie die Schneeheide-Kiefernwälder in der Pupplinger Au, die Buchenmischwälder an den Isarhängen sowie die liegenden oder stehenden Totholzstämme beherbergen viele selten gewordene Arten, darunter Schönheiten wie den Frauenschuh, eine der prächtigsten Orchideenarten Europas, den Eisvogel, der je nach Lichteinfall kobaltblau bis türkisfarben schimmert, den Uhu, die größte Eule der Welt, deren Balzrufe aktuell in der Nähe der Burg Schwaneck zu hören sind, oder den gebänderten Pinselkäfer, der auf morsches Buchenholz angewiesen ist und daher in Fichtenmonokulturen nicht überleben kann.

Voller Enthusiasmus stellte Siering einzelne Vogelarten näher vor, wie etwa den Wendehals, der am Boden auf Ameisenjagd geht. Früher hätte er die Art noch häufiger im Isartal angetroffen, heute sei sie nur noch vereinzelt südlich des Georgensteins zu hören. Auch der Waldlaubsänger ist inzwischen selten geworden. Die Art überwintert im westafrikanischen Regenwald, dessen Fläche durch Rodungen massiv schrumpft. Im Frühjahr kehrt der Waldlaubsänger nach Deutschland zurück und baut sein Nest gut versteckt in der Laubstreu im Bodengestrüpp. Laut Siering hat sein Bestand im Isartal in den letzten Jahren stark abgenommen. Wo früher noch 18 Brutpaare waren, sind jetzt nur mehr fünf bis sechs Paare anzutreffen. Siering ist sicher, dass vor allem Busch- und Bodenbrüter wie Waldlaubsänger, aber auch Rotkehlchen, Mönchsgrasmücke, Zilpzalp, Fitis und Zaunkönig durch die Freizeitnutzung beeinträchtigt werden. Ihre Bruterfolge könnten durch die ständigen Störungen weiter zurückgehen oder ganz ausbleiben.

Neben all den Problemen gab es jedoch auch Positives zu berichten. Freudig erzählte Siering, dass dieses Jahr eine überwinternde Waldschnepfe südlich der Grünwalder Brücke gesichtet worden sei. Die Bestände dieser dämmerungs- und nachtaktiven Art seien europaweit dramatisch eingebrochen – das Vorkommen der Art im Isartal sei also etwas ganz Besonderes. Da die Waldschnepfe im Dunklen nach Würmern, Spinnen und Insekten stochert, könnten ihr Nachtfahrten mit dem Mountainbike jedoch zum Verhängnis werden. Siering bat daher die Gäste des Abends: „Helfen Sie durch rücksichtsvolles Verhalten mit, das Isartal mit seiner Artenvielfalt zu bewahren“. Er kritisierte, dass einige Medien die Trails entlang der Isar noch immer bewerben würden, und forderte stattdessen, das Wegenetz zu reduzieren. Wenn Radfahrer weiter flächendeckend und in geringen Zeitabständen durch das Gelände fahren, hätten viele Arten auf Dauer keine Überlebenschance. Und was einmal verloren ist, kann so leicht nicht wieder hergestellt werden. Das erkannte auch schon Arthur Schopenhauer, den Klaus Alt am Ende des Vortragsabends wie folgt zitierte: „Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten. Aber alle Professoren der Welt können keinen herstellen.“

Wir bedanken uns recht herzlich bei Manfred Siering für seinen bilderreichen Vortrag und für sein langjähriges Engagement im Isartal.

Pressemitteilung des Landratsamtes